Medical Editions 2022 · Nr. 3 ISSN 1865–2417 | HIER Publikation im Vollbild lesen
Die Therapie des metastasierten kolorektalen Karzinoms (mCRC) ist in den vergangenen Jahren zunehmend differenzierter und komplexer, aber damit auch erfolgreicher geworden. Dank einer multimodalen Therapie im Gesamtrahmen eines „continuum of care“, das neben der Erstlinientherapie auch die Folgetherapien einschließt, ist heute ein medianes Gesamtüberleben (OS) von teilweise deutlich über 30 Monaten erreichbar.
Neben der körperlichen Eignung des Patienten für eine intensive Chemotherapie, d. h. seiner „Fitness“, steht für die interdisziplinare Planung der Therapiestrategie zunächst die Frage an, ob im individuellen Fall eine primäre oder sekundäre Resektion der Metastasen möglich erscheint. Ist dies nicht der Fall, steht als nächster Schritt eine molekulargenetische Charakterisierung des Tumors an (RAS- und BRAF-Mutationsstatus und Mikrosatellitenstatus). In retrospektiven Subgruppenanalysen randomisierter Studien wie CRYSTAL, FIRE-3, PRIME, PEAK, CALGB 80405 (alle Erstlinie) und 20050181 (Zweitlinie) verdichtete sich zudem die Evidenz, dass die Lokalisation des Primartumors nicht nur prognostische Bedeutung hat (rechtsseitig schlechter als linksseitig), sondern im Falle von RAS-Wildtyp-Tumoren auch Auswirkungen auf die Wirksamkeit einer Therapie mit EGFR-Antikörpern hat. Dies lasst sich am plausibelsten damit erklären, dass bei linksseitigen Kolorektalkarzinomen häufiger der EGFR-Signalweg aktiviert und die EGFR-Liganden starker exprimiert sind.2,3 Dementsprechend stellte sich heraus, dass nur linksseitige RAS-Wildtyp-Tumoren von einer Behandlung mit einem EGFR-Inhibitor profitierten.4,5 Unabhängig von der Art der kombinierten Chemotherapie (FOLFOX oder FOLFIRI) zeigte sich in einer Metaanalyse die EGFR-Hemmung bei dieser Krankheitskonstellation der Therapie mit dem VEGF-Antikörper Bevacizumab bezüglich des OS signifikant uberlegen.5 Diese Ergebnisse fanden inzwischen auch Eingang in deutsche und internationale Leitlinien.
Mit der Phase-III-Studie PARADIGM, deren Ergebnisse als Late-breaking abstract auf der Plenarsitzung des diesjährigen ASCO präsentiert wurden und in der vorliegenden Premium Selection eingehend dargestellt sind, konnte die Evidenzbasis für diese Therapieempfehlung nun auch durch prospektive Evaluierung des primären Endpunkts OS für Patienten mit linksseitigem mCRC mit RAS-Wildtyp bestätigt werden. Die Erstlinientherapie mit Panitumumab + mFOLFOX6 verlängerte das mediane OS gegenüber Bevacizumab + mFOLFOX6 signifikant um mehr als 3 Monate von 34,3 auf 37,9 Monate. Das progressionsfreie Überleben (PFS) wurde dagegen nicht in gleichem Mase verlängert, wohl aber die Gesamtansprechrate von 68,6 % auf 80,2 % gesteigert. Diese Ergebniskonstellation ist konsistent mit der früherer randomisierter Studien, u. a. FIRE-3,7 und scheint darauf hinzuweisen, dass das PFS der Erstlinientherapie von etwas über 10 Monaten im Rahmen des „continuum of care“ unter Ausschöpfung nachfolgender Therapielinien nicht von entscheidender Bedeutung für das OS ist.8 So erhielten auch in PARADIGM mehr als die Hälfte der Patienten im Laufe ihrer weiteren Behandlung einen VEGF-Inhibitor und fast ein Drittel eine Rechallenge mit einem EGFR-Inhibitor. Zudem ist auch ein kausaler Zusammenhang zwischen der höheren initialen Ansprechrate bzw. der höheren Ansprechtiefe im Panitumumab-Arm von PARADIGM und der Steigerung der kurativen Resektionsrate von 11,6 % auf 18,3 % naheliegend. Erfreulich ist zudem, dass in PARADIGM keine neuen Sicherheitssignale erkennbar waren. Insgesamt sind die Ergebnisse von PARADIGM in weiterer Beleg dafür, dass eine Chemotherapie-Dublette in Kombination mit einem EGFR-Inhibitor die bestmögliche Erstlinientherapie beim linksseitigen mCRC mit RAS-Wildtyp darstellt.